Magdeburger Pirckheimer

Monat: März 2024

Franzen & Grosse – ein (fast) vergessener Verlag

Öffentlicher Vortrag von Agnes Kunze   

Bereits 1487 befand sich die einzige Buchdruckerei der Mark Brandenburg in Stendal. Knapp 300 Jahre später (1755) erlangte Daniel Christian Franzen das Buchdruckerprivileg für diese Stadt. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurde aus der Druckerei von Franzen das Druck-und Verlagshaus „Franzen und Grosse“, dessen Geschichte sich bis ins beginnende 20. Jahrhundert nachvollziehen lässt.

In dem Vortrag wird Agnes Kunze, Leiterin der Bibliothek im Winkelmann-Museum Stendal, insbesondere den Auf- und Ausbau des Verlagshauses in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens betrachten, seinen Einfluss auf das kulturelle Leben in der Region, aber auch sein überregionales Netzwerk z.B. nach Göttingen. Dabei sind vor allem die medizinischen Werke (z. B. des Arztes Samuel Gottlieb von Vogel [1750-1837]), die neben den Leichenpredigten und zahlreichen Schriften von Stendaler Lehrern, besonders bemerkenswert.

Der Vortrag ist öffentlich. Gäste sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei.

Bücher dank Ebbe und Flut

Die Künstlerbücher von Tanja Leonhardt

Sichtlich beeindruckt verließen die 15 Buchliebhaber am 21. Februar gegen 21 Uhr das Literaturhaus Magdeburg. Gesorgt hatte dafür die Künstlerin Tanja Leonhardt. Sie war mit dem Auto nach Magdeburg angereist, den Kofferraum gefüllt mit einer erlesenen Auswahl ihrer Künstlerbücher, die sie zur Begrüßung der Gäste im Literaturhaus bereitgelegt hatte. Dieser Anblick verhieß den meisten der eintretenden Gäste überraschende Erfahrungen sowohl was die Formate, als auch die Materialien und Inhalte anging.

Bis die Kunstwerke in die Hand genommen wurden, gab Tanja Leonhardt einen kurzen aber vielseitigen Einblick in ihr Schaffen. Unter anderem konnten die Gäste anhand eines Videos nachvollziehen, wie das Buch „Orkney-Leinen“ entstand. Hier die nüchternen buchtechnischen Daten: Eines von drei Büchern mit Einband aus Orkney-Leinen, Hardcover, Breite: 300 mm, Höhe: 400 mm,Decke: Rohleinen …, 16 Seiten Silberburg Tiefdruckbütten (240 g) mit Büttenrand, Papier naturgefärbt, Handschrift.

Tanja Leonhardt mit einem der drei Exemplare des Buches aus Orkney-Leinen. Foto: R. Wege

Den Eindruck, den das Werk bei den Gästen hinterlassen hat lässt sich daran erahnen, dass es das Werk war, das am häufigsten in die Hand genommen wurde, und, am Ende in Magdeburg ein neues Zuhause gefunden hat.

Nicht zuletzt war es seine Entstehungsgeschichte, die das Buch so interessant macht. Hier einige Zeilen von Tanja Leonhardt dazu: „Im Jahr 2016 schenkten mir meine Freunde auf der Orkneyinsel Shapinsay ein Stück festes Leinen, das zu einer Erntemaschine des 19./20. Jahrhunderts gehörte. Ich entfernte die Holzleisten und Nägel, wickelte am Strand gefundene Eisenteile hinein und befestigte das Bündel unter dem Steg der Insel. Dort war es ein Jahr lang den Gezeiten ausgesetzt, bei Ebbe sichtbar, bei Flut unter Wasser. Im darauf folgenden Jahr kehrte ich zurück und wickelte das Bündel aus. Das Leinen war brüchig und stark von Bakterien zerfressen. Vorsichtig säuberte und trocknete ich es – und vergaß es im Schrank, bis ich in 2020 die Ökodruck-Serie herstellt. Das brüchige Leinen wurde auf den kaschierten Karton aufgeleimt und dadurch wieder haltbar gemacht. Dabei sind die Spuren seiner Geschichte deutlich vernehmbar. Im handgeschriebenen lyrischen Text geht es um diese Geschichte.“ Hier ein Beispiel: „… Ich höre das Meer rauschen. Ich sehe Ebbe und Flut steigen und fallen, steigen und fallen, sehe das Bündel um den Stegpfosten gewickelt. Alle zwölf Stunden sieht das Wasser nach ihm, tastet in seine Falten, sickert durch jede Lage bis in die Geschichten, die der goldene Staub erzählt, und zieht sich wieder zurück, seufzend und glucksend, brüllend und peitschend …“

Zwei weitere Beispiele sollen an dieser Stelle wenigstens noch einen kleinen Blick in die Vielfalt der Arbeiten von Tanja Leonhardt ermöglichen. Da ist das Buch „zusammen“, das Tanja Leonhardt (Konzeption, Schrift, Text, Bindung) gemeinsam mit Martin Dürk (Zeichnungen, Mischtechniken) geschaffen hat. Es besticht (nicht nur) mit einer ausgeklügelten Art der Faltung, die allein durch die Abfolge des Aufschlagens der Text- und Bildseiten durch die Geschichte führt – sehr zur Erbauung der Gäste des Abends.

Ein Blick in das Buch „zusammen“ Foto: R. Wege

 Dass man Bücher durch Kochen erschafft, war für die meisten Buchfreunde an diesem Abend eine neue Erkenntnis. Tanja Leonhardt nennt sie „Schmutzige“ Kesselbücher oder Ökoprints aus dem Kupferkessel. Sie zeichnen sich, nicht zuletzt durch das Agieren des Zufalls bei der Entstehung, durch eine eigene „Wildheit“ und Kraft aus, wie es Tanja Leonhardt nennt.

Buchliebhaber im Gespräch mit der Künstlerin. Foto: R. Wege