Für das Jahr 2024 haben die Magdeburger Pirckheimer ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Die Veranstaltungen sind mit Ausnahme der Mitgliederversammlung öffentlich. Gäste sind herzlich willkommen! Der Höhepunkt ist das Jahrestreffen derPirckheimer-Gesellschaft, das auf Einladung der Magdeburger Buch- und Graphikliebhaber im September in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts stattfinden wird. Dazu werden rund 70 Gäste aus ganz Deutschland erwartet.
Programmübersicht 2024
Mittwoch 21. Februar Künstlerbücher vom Atelier Leonhardt Öffentlicher Vortrag von Tanja Leonhardt, Schotten Literaturhaus Magdeburg
Mittwoch, 17. April Verlagswesen 18. und 19. Jahrhundert Öffentlicher Vortrag von Agnes Kunze, Stendal Literaturhaus Magdeburg
Freitag, 7. Juni Leben und Schaffen von Alexandre Dumas Öffentlicher Vortrag von Robert Grieger, Berlin Literaturhaus Magdeburg
Juli/August Sommerpause
Freitag/Samstag, 13./14. September Treffen mit der Pirckheimer Gesellschaft und Ausstellungseröffnung „Edition Augenweide – 30 Jahre Künstlerbuch Almanach COMON SENSE“ mit den Gründern und Herausgebern der Edition Ulrich Tarlatt und Jörg Kowalski Der Veranstaltungsort wird mit gesonderter Einladung rechtzeitig bekannt gegeben.
Mittwoch, 27. November Jahreshauptversammlung (vereinsintern) mit anschließenden öffentlichen Sammlergesprächen „Aus eigenen Sachen“ Literaturhaus Magdeburg
Änderungen aus organisatorischen Gründen vorbehalten.
Alexandre Dumas der Ältere (1802-1870), Verfasser unter anderem der Bestseller ›Die drei Musketiere‹ und ›Der Graf von Monte Christo‹, Schöpfer literarischer Mythen, Lebemann und Geschäftsmann, war der Prototyp des freien marktorientierten Schriftstellers und ist bis heute der meistgelesene französische Autor in Deutschland.
Wer einen Einblick in das Leben und Werk dieses Literaten erhalten möchte, ist am Freitag, den 7. Juni, im Literaturhaus Magdeburg genau richtig. Dort wird der Berliner Dumas-Sammler Robert Grieger dieses Thema dem Publikum nahe bringen. Beginn ist um 19 Uhr. Der Vortrag ist öffentlich. Gäste sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei.
Vortrag „Leben und Werk des Alexandre Dumas“ Freitag, 7. Juni 2024, 19 Uhr Literaturhaus Magdeburg
Vernissage „Klaus Süß – Druckstock, Abdruck, Künstlerbücher“ im Literaturhaus
Wer knapp vor Beginn der Vernissage noch ins Literaturhaus gehuscht kam, der trat in einen bereits bis auf den letzten Stuhl besetzten Raum. Das war aber kein Grund, wieder zu gehen. Dafür waren bei allen die Neugierde zu stark und die Erwartungen an das zu Entdeckende zu hoch. Rund 50 Objekte von Klaus Süß hatten die Magdeburger Pirckheimer gemeinsam mit dem Künstler für die Ausstellung in Magdeburg ausgewählt. Darunter eine Auswahl farbig gestalteter Druckstöcke mit dazugehörigen Drucken sowie Vorzeichnungen, einzelne bemalte Druckstöcke, einzelne Druckblätter sowie komplette Grafikmappen. Dazu sind in Vitrinen Künstlerbücher aus dem umfangreichen Werk von Klaus Süß ausgestellt. Extra zur Ausstellung in Magdeburg hat Klaus Süß die Vorzugsgrafik “Frau“ in 13 Exemplaren aufgelegt und den dazugehörigen Druckstock ins Literaturhaus mitgebracht.
Nach der Begrüßung durch Vereinsvorsitzende Sigrid Wege und den musikalischen Auftakt am Saxophon durch Frank Schöpke führte der Schriftsteller, Buchgestalter und Ausstellungsmacher Dr. Jens-Fietje Dwars aus Jena die Gäste in die Ausstellung ein. Dwars ließ den Werdegang des Chemnitzer Künstlers Revue passieren, beginnend mit Linolschnitten, über die Unikatbücher, Grafikmappen und Pressendrucke sowie gestalteten Druckstöcke bis zu dem Feld, „auf dem er zum Meister gereift“ ist, dem Holzschnitt. Dwars: „Von Anbeginn ringt Süß um die zeichenhafte Erweiterung und Vertiefung des Erfahrenen, nie um Tagespolitik. Im Spiegel neuer und alter Mythen sucht er nach Bildern für den Kampf der Geschlechter, für den Hass, in den unerfüllte Liebe umzuschlagen vermag, die Gewalt, die allem Begehren innewohnt, die Ohnmacht der Macht, das Abgründige in uns. Auch in den Bildern, die Sie in dieser Ausstellung sehen.“
Klaus Süß wurde 1951 im erzgebirgischen Crottendorf geboren. Er lebt seit langem in Chemnitz. Seit 1986 arbeitet er als freischaffender Künstler. Zuvor war er einige Jahre an der bekannten Produzentengalerie „Clara Mosch“ in Chemnitz tätig. Er beschäftigt sich zunächst vor allem mit dem Linolschnitt und ab 1992 verstärkt mit dem Holzschnitt. Klaus Süß arbeitet beim Holzschnitt in der Technik der „verlorenen Form“, wodurch keine späteren Nachdrucke mehr möglich sind.
Typisch für viele seiner Arbeiten sind kraftvolle Farben mit expressionistischen Menschenfiguren (angeregt von Brücke-Mitgliedern wie Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Ludwig Kirchner).
Die bemalten Druckstöcke werden zu Kunstobjekten, die Klaus Süß auch in die Gestaltung von Künstlerbüchern einbezieht oder Grafikmappen beilegt. Sie sind sowohl als alleinstehende Kunstobjekte, in Rahmen gefasst oder als freistehende Skulpturen, bei Sammlern sehr begehrt.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld von Klaus Süß sind Künstlerbücher. In der Regel in kleinen, oft einstelligen Auflagen oder als Unikatbücher hergestellt. In der Ausstellung gezeigt werden unter anderem die Werke „Kholumodumo“ (Märchen aus dem südöstlichen Afrika, 17 Holzschnitte, 45×35 Zentimeter), „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ oder „UKIYO-E“ (nach einem japanischen Text des 18. Jahrhunderts, in 26 Original-Bild- und Schriftholzschnitten). Zu sehen ist ebenfalls sein wohl erfolgreichstes Buch, „Blaubart“, das Klaus Süß 2009 für den Leipziger Bibliophilen-Abend geschaffen hat und das von der Stiftung Buchkunst im Wettbewerb „Die schönsten deutschen Bücher“ ausgezeichnet wurde. Dieses Kleinod wird zusammen mit der Blaubart-Grafikmappe gezeigt, die acht Farbholzschnitte im Mappenformat von 54 x 43,5 Zentimeter umfasst, erschienen in fünf Exemplaren.
Alle gezeigten Grafikblätter sind von Klaus Süß von Hand gedruckt. Auch wenn kräftige Farben in vielen seiner Werke dominieren, wirken seine Schwarz-Weiß-Arbeiten ebenso beeindruckend, wie zum Beispiel die Weißlinienschnitte in seinem 46 x 41 Zentimeter großen Künstlerbuch „Die Leichtigkeit der Etrusker“, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist.
Die Vielfalt des künstlerischen Schaffens erstreckt sich bei Klaus Süß auch auf die Gestaltung von Keramik und anderen Objekten. In der Ausstellung ist stellvertretend eine Bronzearbeit zu sehen, die dem Künstlerbuch „Chief Seattle“ beigegeben ist. Der Text entstammt der Rede, die Chief Seattle 1855 an den Präsidenten der Vereinigten Staaten richtete. Es besticht durch eine einzigartige Verschränkung von Bild und Text. Jedem Holzschnitt geht eine Textseite voraus, die einen visuellen Bezug zum darunter (teilweise) sichtbaren Holzschnitt herstellt: Entweder ist der Text typografisch geformt wie eines der Bildelemente und auf transparentem Papier gedruckt, teils sind Ausstanzungen im Papier, die schon bestimmte Teile des darunter liegenden Holzschnitts sichtbar machen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Februar 2024 im Literaturhaus Magdeburg zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr, sowie nach Voranmeldung und zu den Veranstaltungen.
Kulturredakteurin Grit Warnat hat in einem wunderbaren Beitrag sehr informativ und sachkundig über die aktuelle Ausstellung der Pirckheimer im Magdeburger Literaturhaus »Klaus Süß – Druckstock, Abdruck, Kündtlerbücher« berichtet. Dafür ganz herzlichen Dank!
Klaus Süß in seinem Atelier in Chemnitz 2023 / Copyright: Ralf Wege
Werke von Klaus Süß im Literaturhaus Magdeburg / Vernissage am 18. November 2023
Im Literaturhaus Magdeburg öffnet am kommenden Sonnabend, 18. November, die Ausstellung „Klaus Süß – Druckstock, Abdruck, Künstlerbücher“. Beginn ist im 16 Uhr. Der Künstler wird anwesend sein. Zur Eröffnung spricht Dr. Jens-Fietje Dwars, Süß-Kenner aus Jena. Es musiziert Frank Schöpke. Der Eintritt ist frei.
Gezeigt werden im Literaturhaus rund 50 Objekte. Darunter eine Auswahl farbig gestalteter Druckstöcke mit dazugehörigen Drucken sowie Vorzeichnungen, einzelne bemalte Druckstöcke, einzelne Druckblätter sowie komplette Grafikmappen. Dazu sind in vier Vitrinen Künstlerbücher aus dem umfangreichen Werk von Klaus Süß ausgestellt.
„Verführung“ – bemalter Druckstock und Abdruck
Klaus Süß wurde 1951 im erzgebirgischen Crottendorf geboren. Er lebt seit langem in Chemnitz. Seit 1986 arbeitet er als freischaffender Künstler. Zuvor war er einige Jahre an der bekannten Produzentengalerie „Clara Mosch“ in Chemnitz tätig. Er beschäftigt sich zunächst vor allem mit dem Linolschnitt, später verstärkt mit dem Holzschnitt. Klaus Süß arbeitet beim Holzschnitt in der Technik der „verlorenen Form“, wodurch keine späteren Nachdrucke mehr möglich sind. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens sind Künstlerbücher und Unikatbücher.
Magdeburger Pirckheimer gratulieren Annerose Busse zum Jubiläum
Antiquarin und Buchhändlerin trifft Sammler von Buch und Grafik. Harmonischer kann eine Konstellation kaum sein. Seit 50 Jahren ist Annerose Busse als Buchhändlerin tätig, seit 40 Jahren mit der Antiquariatsbranche vertraut. 2005 übernahm sie das renommierte und nicht nur zu DDR-Zeiten überregional bekannte Antiquariat in Magdeburg. Ein folgerichtiger Schritt, hatte sie doch dort 1985 ihre Ausbildung zur Antiquarin erfolgreich abgeschlossen. Seitdem ist sie vielen Pirckheimern als die Anlaufstelle in der Landeshauptstadt vertraut, wenn sie sich auf die Suche nach ausgewählten Büchern und schöner Grafik begeben haben. Jetzt feierte Annerose Busse das Jubiläum 50 Jahre Buchhändlerin. Das war für die Magdeburger Pirckheimer Anlass, ihr einen Extra-Besuch mit Blumenstrauß abzustatten und von ganzem Sammlerherzen zu gratulieren. Im Namen des Vereins wünschte Vorsitzende Sigrid Wege und der Stellvertretende Vorsitzende Bernhard Poprawa der Jubilarin für die Zukunft alles Gute. Bei dem Besuch bekamen die Pirckheimer gleich einen Einblick in die jüngsten Neuerwerbungen von Annerose Busse. Ansporn, demnächst wieder in ihrem Geschäft vorbeizuschauen.
Vereinsvorsitzende Sigrid Wege bedankte sich nach dem Vortrag bei Dr. Sylke Wunderlich (l.) mit einem kleinen Präsent.
Sehr zufrieden wirkten die Zuhörer des Vortrages „Plakate aus der DDR“, als sie am Nachmittag des 8. Juli das Literaturhaus Magdeburg verließen. Zwei Stunden zuvor hatten sie voller Erwartungen das Gebäude betreten. Die gute Laune lag zum einen am Thema „Plakate aus der DDR. Das war für die meist älteren Semester eine kleine Reise in die eigene Vergangenheit, insbesondere die Vergangenheit als Sammler von Buch und Grafik sowie Plakaten. Zum anderen war der abwechslungsreiche und mit Leidenschaft für die Sache gehaltene Vortrag von Dr. Sylke Wunderlich für die gute Laune verantwortlich. Als Gründerin und Treuhänderin der Stiftung Plakat OST plauderte die promovierte Kunstwissenschaftlerin aus ihrem Schatz reichhaltiger Erfahrung mit dem Sammeln, Bewahren, Pflegen, Publizieren und Präsentieren ostdeutscher Plakatkunst nach 1945.
Die Welt der Plakate ist nicht nur bunt, sondern auch sehr vielfältig. Sie reicht vom Werbeplakat über Plakate mit politischen Botschaften bis zum Theaterplakat. Für die meist bibliophil interessierten Gäste des Nachmittags waren natürlich Künstlerplakate von besonderem Interesse, was sich in dem Vortrag von Sylke Wunderlich niederschlug. Es tauchten dabei auch Künstler auf, die man eher nicht mit dem Plakat verbunden hätte, wie beispielseise Arno Mohr, der vor allem für seine Kaltnadelradierungen bekannt ist. Sylke Wunderlich hatte ein von ihm geschaffenes Plakat zum 1. Mai 1946 mitgebracht. Als Beispiele für Plakate im Kulturleben dieser Zeit lernten die Zuhörer eine Arbeit von Georg Baus kennen, mit dem 1947 das Museum für Bildende Künste auf eine Schau des grafischen Schaffens seit 1945 unter dem Titel „buch-schrift-werbekunst“ aufmerksam machte. Ein anderes Beispiel stammte von Wilhelm Deffke. Sylke Wunderlich zeigte sein Plakat für die „Große Kunstausstellung Sachsen-Anhalt“, die vom 9. Mai bis 4. Juli 1948 im Stadtmuseum Moritzburg stattfand. Kleiner Nebeneffekt: Damit war indirekt auch ein Bezug zu Magdeburg hergestellt, denn am 16. Oktober 1925 hatte Wilhelm Deffke die Direktion der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg übernommen. In dieser Zeit war er auch für das künstlerische Erscheinungsbild der Deutschen Theaterausstellung 1927 im Magdeburger Rotehornpark verantwortlich, für die Karl Schulpig das Plakat entworfen hatte.
Neben den eher unerwarteten Plakatgestaltern begegneten den Gästen vielen bekannte Künstler. Stellvertretend seien hier genannt Manfred Bofinger, Helmut Brade, Feliks Büttner, Egbert Herfurth, Ronald Paris, Volker Pfüller, Horst Hussel, Rolf Felix Müller, Thomas Schleusing, Albrecht von Bodecker und natürlich Gert und Sonja Wunderlich. Übrigens: 2014 hatten die Magdeburger Pirckheimer eine Ausstellung mit Arbeiten von Gert Wunderlich unter dem Titel „ Typographie – ein Spiel?“ im Literaturhaus gezeigt, darunter auch Plakate. Daran konnten sich noch einige der Gäste gut erinnern, die damals bei der Vernissage dabei waren. Hatte Sylke Wunderlich ihren Vortrag mit dem Plakat von Arno Mohr aus dem Jahr 1946 begonnen, so schloss sie zum Ende ihrer Ausführungen den zeitlichen Bogen mit einer Arbeit von Matthias Gubig von 1989: „Wir sind das Volk“.
Einblicke in die eigene Plakatsammlung gewährte Wilfried Kiel nach dem Vortrag, was die Gäste und Sylke Wunderlich (l.) gerne annahmen.
Öffentlicher Vortrag im Literaturhaus MagdeburgSonnabend, 8. Juli 2023, 14 Uhr
Gäste sind willkommen. Der Eintritt ist frei!
Mit der Treuhänderin der Stiftung Plakat Ost, Dr. Sylke Wunderlich, konnten die Magdeburger Pirckheimer eine ausgewiesene Kennerin der DDR-Plakatkunst als Referentin gewinnen. Sie wird ihren Vortrag mit Projektionen von Beispielen aus der Stiftungssammlung, die von allgemeinen politischen Bekundungen über Film- und Theaterankündigungen bis zu Produktwerbungen für Kosmetika, Bekleidungsartikeln und optische Geräte reichen, eingehen. Ein Schwerpunkt werden die Künstlerplakate sein, die einen wesentlichen und für Bibliophile besonders interessanten Teilbereich sind. Die in der DDR hochentwickelten graphischen Künste hatten hier ein Betätigungsfeld, auf dem ein breites Spektrum von Techniken und Stilen zur Anwendung gebracht werden konnte.
Zweck der Stiftung Plakat Ost ist unter anderem das Sammeln, Bewahren, Pflegen, Publizieren und Präsentieren ostdeutscher Plakatkunst nach 1945. Zum Sammlungsbestand gehören beispielsweise das Plakat »Die Ferien des Monsieur HulotAlbrecht« (l.) von Albrecht von Bodecker (1978), Rolf Felix Müllers` Plakat zur Aufführung von Rolf Hochhuths „Stellvertreter“ 1966 in Gera oder das von Prof. Matthias Gubig 1989 gestaltete Plakat »Wir sind das Volk« (r.).
»Die Kunst des Sammelns« war das beherrschende Thema des Abends, zu dem die Magdeburger Pirckheimer am 17. Mai 2023 in das Literaturhaus der Landeshauptstadt eingeladen hatten. Als Gesprächspartner begrüßte Vereinsvorsitzende Sigrid Wege den aus Berlin angereisten Künstler Hartmut Robert Andryczuk. Seine Ausführungen schöpften vor allem aus zwei Quellen. Zum einen hat sich Andryczuk zum Thema »Die Kunst des Sammelns« mit verschiedenen Sammlern unterhalten, diese Gespräche aufgezeichnet, später transkribiert und die so entstandenen Texte in einer Buchreihe in seinem Hybriden-Verlag veröffentlicht. Zum anderen sind das keine »normalen« Bände, die er herausgibt. Es sind selbst Künstlerbücher, in der Regel in einer Auflage von 30 Exemplaren und versehen beispielsweise mit Originalzeichnungen oder Handschriftlichem von Hartmut Robert Andryczuk. Und sie sind selbt zu Sammelobjekten geworden.
Der Einband des Leporello, davor Band 8 (l.) aus der Reihe „Die Kunst des Sammelns“ (Gespräch mit Michael Lailach) und „Crossbreeding.“ Künstlerbuch und Katalog mit Texten von Serge Stommels & Albert Lemmens
Begonnen hat Andryczuk die Reihe im Jahr 2015 mit einem Gespräch mit dem Sammler Gerhart Odenwald. Ihm folgten als Gesprächspartner in den nächsten Büchern Wulf D. von Lucius, Peter Zitzmann, Helmut Mayer, die niederländischen Sammler Serge Stommels & Albert Lemmens. Danach kamen Jens Henkel aus dem thüringischen Rudolstadt und Hubert Kretschmer zu Wort. In seinem jüngsten Band, erschienen 2022, hat Andryczuk sein Gespräch mit Michael Lailach, Kurator und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatlichen Museen zu Berlin und Leiter der Sammlung Buchkunst in der Kunstbibliothek, veröffentlicht.
Dass der Erfolg des Sammelns nicht nur von persönlichen Vorlieben und finanziellen Möglichkeiten, von Optionen für eine sachgerechte Unterbringung und optimalerweise fundierte Aufbereitung einer Sammlung abhängt, sondern auch von den aktuellen Zeitumständen, führte Andryczuk am Beispiel der Sammler Serge Stommels und Albert Lemmens vor Augen. Beide niederländischen Sammler haben eine der umfangreichsten Sammlungen russischer Künstlerbücher. Beide seien oft Russland unterwegs gewesen, um den direkten Kontakt zu den Künstlern vor Ort zu pflegen und neue Stücke zu erwerben, um ihre Sammlung zu vervollständigen. Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine könne man davon ausgehen, so Andryczuk, dass die Sammeltätigkeit der beiden nahezu zum Erliegen gekommen ist.
Andryczuk hatte nicht nur Beispiele seiner Künstlerbücher aus der Reihe »Die Kunst de Sammelns« mitgebracht. Mit »THINK TANK PANZERHAUBITZE KLING KLING« zeigte Andryczuk ein Werk, dass er im September vergangenen Jahres herausgebracht hat, und das seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine ist. Es besteht aus einem Leporello mit 17 Originalzeichnungen und einem Katalog mit 48 Seiten, Texten, Abbildungen. Ausgangspunkt für das Buch sei ein text gewesen, den er auf der Website des Kremels gefunden habe, in dem es um die »historische Einheit von Russen und Ukrainern« geht. Andryczuk: Großartig. Ein richtiger idenditärer Schwurbel-Text, den ich für diese Künstleredition sehr gut verwenden konnte. Dort wird die Nationalisten-Karte gezogen, die historische Einheit aller Russen beschworen. Russland ist seit Jahren in einem heiligen Krieg gegen „Gayropa“. Glaube, Vaterland, Familie, ewige Werte, Orthodoxie. Männer sind noch richtige Männer und Frauen noch wahre Frauen. Bringt mich das Selenskij oder den Nationalismus der Ukrainer näher? Nein, natürlich nicht. Aber ich unterstelle den Menschen in der Ukraine, dass sie dieses „russische“ System nicht mehr wollen. Und was mich angeht: Ich lebe lieber im satanischen Westen als in einem idenditären Mafia-Imperium.«
Wie weit sich der Bogen dieses Abend spannte wurde in der Diskussion mit dem Publikum deutlich, als die Frage nach dem Verbleib einer Sammlung auftauchte, wenn der Sammler seiner Leidenschaft nicht weiter frönen will oder kann. Soll sie geschlossen erhalten bleiben? Oder ist es besser, sie wieder in den Kreislauf zu bringen und damit jungen Sammlern die Möglichkeit zu geben, eine eigene Sammlung aufzubauen. Freuen sich die Kinder, die Sammlung zu erben, oder ist es für sie eher eine Last? Findet sich ein Museum, das die Sammlung übernimmt und dabei nicht nur im Archiv aufbewahrt, sondern sie auch der Öffentlichkeit zugänglich macht? Fragen über Fragen. Eine endgültige Antwort lieferte der Abend nicht, aber die Gewissheit, dass es auf diese Frage keine einheitliche, für manche auch gar keine Antwort gibt. Zumindest keine zufriedenstellende.
Zufrieden waren allerdings die Gäste des Abends, als sie nach gut zwei Stunden Hartmut Robert Andryczuk mit Beifall nach Berlin verabschiedeten, das Literaturhaus verließen, um sich vielleicht weiter der eigenen Sammelleidenschaft zu widmen.