Magdeburger Pirckheimer

Kategorie: Rückblicke (Seite 1 von 2)

Vielfalt der Sinne

Whisky und sein Griff zum Buch

Der Geruchssinn spielt für einen Bücherliebhaber eine wichtige Rolle. Betritt er

ein Raum mit Büchern, sei es ein Archiv, eine Bibliothek oder die vier Wände des

Nachbarn, so dieser Bücher sein Eigen nennt, bekommt er dank seiner Nase

gleich eine Ahnung, welche Schätze dort zu finden sein könnten. Das hätte man

beim Besuch im Literaturhaus Magdeburg, der Name sollte ja Programm sein,

auch erwartet. Doch Fehlanzeige: kein Bücherduft im Raum. Stattdessen

empfingen die knapp 20 Gäste aromatische Schwaden mit Anklänge von

Citrusfrüchten, florale Noten, Vanille und vieles mehr. Noten von Torf schwebten

durch den Raum und regten eher die Geruchs- und Geschmachsnerven als den

Tastsinn an. Des Rätsels Lösung war schnell gefunden. In 45 kleinen Gläsern,

akkurat aufgestellt in drei Blöcken, schimmerte eine Flüssigkeit in gold-gelb-

farbenen Tönen. In ihnen ausgewählte Whisky, je Gläserblock eine Sorte. Wer

jetzt vermutete, bei der falschen Veranstaltung gelandete zu sein, wurde mit

einem Blick auf die gegenüberliegende Seite beruhigt. Dort standen drei Tische,

dicht bestückt mit Büchern. Deren dezenter Geruch, der meist erst in

unmittelbarer Nähe zu spüren ist, hatte keine Chance gegen das intensive

Whisky-Aroma.

Alles ist vorbereitet.

Trotzdem hatten sie alle etwas mit Whisky zu tun, unabhängig von Format,

Umfang oder Bindung. Was, das erzählte der Referent dieses Nachmittags, der

Pirckheimer Robert Grieger. Er ist sowohl Büchersammler als auch Whisky-

Liebhaber – (als Herausgeber der Berliner Whisky Depesche, und hat in

Zusammenarbeit mit Pirckheimer Matthias Hartinger von Whisky and Talk 2021

zum Welttag des Buches die Facebook-Gruppe Bücher rund um Whisk(e)y & Co.

ins Leben gerufen). Beide Leidenschaften hat er in einen Vortrag mit Verkostung

zusammengepackt und so in Magdeburg den „Whisky und sein Griff zum Buch“

vorgestellt.

Nach einer kleinen Exkursion zum Einfluss von Rauschmitteln allgemein in

Künstlerkreisen, ging es über dessen Widerspiegelung in der Literatur bis hin zu

den gedruckten Werken, die sich mit Whisky speziell beschäftigen. Sei es von

technischen Fragen beim Herstellungsprozess, der mitunter sehr bildgewaltigen

Präsentation einzelner Brennereien oder der Vorstellung von Whisky-

Sammlungen bis hin zum weitgefassten Einfluss des Marketings auf die

Verbreitung, Akzeptanz und Konsumierung des Getränks – nicht zu übersehen

auch auf den Büchersammler mit der Herausgabe beeindruckender Bände.

Theodor Fontane gehört zu den Literaten, denen der Whisky nicht unbekannt war.

An diesem Nachmittag wurden nun auch Whisky und Bibliophiles real geboten.

Theodor Fontane, Sir Walter Scott, Arthur Conan Doyle, auch Douglas Adams

und andere bedeutende Literaten waren im Zusammenhang mit Whisky zu

erwähnen. Genauso Größen wie Alfred Barnard, Michael Jackson (und hier ist

nicht der King of Pop gemeint), Dave Broom, Hans Offringa und weitere.

Auch bibliophil kann dieser Bereich einiges bieten. Wälzer und Fachliteratur von

Emanuel Dron oder Valentino Zagatti, welche nicht nur durch ihre Größe und

Schwergewichtigkeit protzten sondern auch mit ihrer inhaltlichen und

darstellerischen Attraktion. Bildbände wie The Art of Whisky glänzten durch ihre

Prächtigkeit.

Whisky und Bibliophiles passen gut zusammen…

Damit es nicht nur bei der Theorie blieb, griffen die Gäste bei der

anschließenden Verkostung zu, begleitet von fachkundigen Hinweisen zum

jeweiligen Getränk, seiner Herstellung und Herkunft.

Es wurden 3 Whiskys präsentiert welche unterschiedliche

Geschmacksrichtungen aufwiesen aber die anwesenden auch nicht

überforderten. Die Whiskys wurden spannender Weise zum Thema ausgesucht:

Für den wissenschaftlichen Bereich diente der MacKinlay’s Shackleton Whisky.

Die spannende Geschiche zur Entwicklung dieses Whiskys wurde auch erzählt

welche auch aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu erlesen ist. Leicht

rauchig und fruchtig mit Vanille, intensive im Geschmack aber honigweich mit

einem mittellangen Abgang.

Von Fontane bis Game of Thrones

Mit dem zweiten Whisky wandern wie auf den Spuren von Fontane und in die

moderne Literatur zu Game of Thrones. Oban Bay Reserve Whisky begleitet eine

sanfte malzige Leichtigkeit, welche durch eine starke Fruchtigkeit begleitet wird.

Der Geschmack ist angenehm und von einer Sensibilität begleitet.

Zum Schluss begleitet wird den schottischen Höllenhund auf seinen Weg der

auch Sir Arthur Conan Doyle beeinflusst hat. Tomatin Cù Bòcan Signature – Kein

Rauchmonster, sondern ein mildrauchiger Highlander mit vollfruchtiger Süße

und milden Gewürznoten.

Ein süßes Dankeschön gab es von Sigrid Wege für Robert Grieger.

Am Ende dieser gelungenen Veranstaltung mit in mehrfacher Hinsicht viel

Abwechslung bedankte sich Vereinsvorsitzende Sigrid Wege bei Robert Grieger.

Jedoch weder mit einem Buch, noch mit einem Whisky. Das hieße, Eulen nach

Athen tragen, wie sie sagte. Stattdessen gab es süßes Fudge, dann aber doch

mit Whisky-Geschmack. Wohl bekomm`s!

Börde-Einhorn begeistert Besucher

Hendrik Liersch und Petrus Akkordeon stellen die Corvinus Presse im Literaturhaus Magdeburg vor. Titelvorschläge für das geplante Einhornbuch können noch eingereicht werden.

Knapp 20 Freunde des schönen Buches waren am Mittwoch (19. Februar) ins Magdeburger Literaturhaus gekommen, um die Corvinus Presse mit ihren Pressendrucken und Künstlerbüchern kennenzulernen. Möglich war dies, da der Gründer der Corvinus Presse und Drucker Hendrik Liersch vom heimischen Berlin nach Magdeburg ins Literaturhaus gereist war. Begrüßt wurde er im Literaturhaus von Sigrid Wege, Vorsitzende der einladenden Magdeburger Pirckheimer.

Hendrik Liersch hatte sich gleich zweifache Unterstützung mitgebracht. Zum einen den Künstler und Illustrator Petrus Akkordeon, mit dem er schon mehrere Bücher herausgebracht hat. Zum anderen das jüngste „Kind“ des Petrus Akkordeon: das Börde-Einhörn. Besser gesagt, eine kleine Herde von 20 Börde-Einhörnern. Sie sind sozusagen Vorboten des neuesten Buches der Beiden, in dem sich noch einige andere Einhörner zu dem Börde-Exemplar dazu gesellen werden.

Bevor die 20-köpfige Herde von Börde-Einhörnern von ihrem heimischen Stall in Berlin kommend im Literaturhaus Magdeburg eingetroffen waren, hatte sie im Museum für Naturkunde der Ottostadt einen Zwischenstopp eingelegt – begleitet von ihren zeichnerischen und sie druckenden Vätern Petrus Akkordeon und Hendrik Liersch. Dort fand eines der Herdenmitglieder ein neues Zuhause. Es wurde vom stellvertretendem Museumsdirektor Marcus Pribbernow und Museumsmitarbeiter Dr. Michael Buchwitz freudig empfangen. Schließlich passt es wunderbar zum sogenannten Guericke-Einhorn, von dem eine mehrere Meter hohe dreidimensionale Nachbildung als eine vermeintliche Rekonstruktion eines fossilen Einhorns aus dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert im Museum zuhause ist.

Damit sich die Gäste einen besseren Eindruck von der Druckerei in einem Berliner Hinterhof machen konnten, hatte Hendrik Liersch als Einstieg in seinen Vortrag einen Film gezeigt. Damit gab es nicht nur Blicke auf die Druckerei, sondern auch Einblicke in dieselbe. Man konnte Hendrik Liersch und seinen Druckerkollegen Dieter Bela bei der Arbeit zusehen. Abgerundet wurde das visuelle Erlebnis, durch Szenen, in denen die fertigen Bücher bei Lesungen vorgestellt werden.

Amsel und Katze mögen sich, sind Petrus Akkordeon (l.) und Hendrik Liersch überzeugt. | © R. Wege

Anschließend erzählte Hendrik Liersch anekdotenreich von seinem Weg vom gelernten Möbeltischler zum Pressendrucker, dessen Bücher heute in vielen Bibliotheken im In- und Ausland zu finden sind. Die Vielfalt der Künstler und Autoren, mit denen er zusammenarbeitet, ist groß. Sie reicht von Wienke Treblin, Guntram Vesper und Olesya Dzhuraeva zu Gerd Adloff, von Strawalde über Horst Hussel, Zoppe Voskuhl und Helene Hannbot  Bautista bis zu Kay Voigtmann. Und immer wieder: Petrus Akkordeon. Mit ihm hat er schon viele Bücher gemeinsam gemacht, die eigentlich immer in die Tierwelt entführen. Sei es zu Amseln, Füchsen, Eulen, Tapiren, oder demnächst, zu Einhörnern. Für das geplante Buch wird noch ein Titel gesucht. Vorschläge können gerne per E-Mail (corvinus@snafu.de) zugesendet werden.

Dementsprechend hatten die beiden eine große Auswahl dieser Bücher, sowohl als Volksausgaben, als auch als Künstlerbücher sowie einzelne Grafiken mitgebracht. Darunter das schon mehrfach erwähnte Börde-Einhorn. Bis zur Rückfahrt hatte sich die Herde deutlich verkleinert. Und so einige der in blau gedruckten Linolschnitte ein neues Zuhause gefunden.

Der neue Besitzer eines Börde-Einhorns trägt Hut. | © R. Wege

Sicherlich werden einige der Gäste des Abends die Einladung von Hendrik Liersch annehmen, und ihn in seiner Druckerei in Berlin besuchen. Vielleicht zeigt dann Petrus Akkordeon zufällig auf einem Einhorn Kunststücke auf dem Hof.

Vereinsvorsitzende Sigrid Wege mit Hendrik Liersch (l.) und Petrus Akkordeon. | © R. Wege

Buchliebhaber vereint im Sinn für das Gemeinsame

Mit raschem Schritt näherten sich die letzten Gäste kurz vor 19 Uhr dem Literaturhaus in Magdeburg. Das sicherte ihnen zumindest noch einen Stehplatz, um die Eröffnung der Ausstellung „30 Jahre Künstlerbuch Almanach COMMON SENSE“ am 12. September 2024 mitzuerleben. Damit befanden sie sich in Gesellschaft von mehr als 50 Buchliebhabern,  die das Interesse an schönen Büchern und Originalgraphik im Allgemeinen und an Künstlerbüchern im Besonderen zusammengeführt hatte. Sie waren aus vielen Ecken Deutschlands angereist, unter anderem aus Berlin, Hamburg, Augsburg, Leipzig, Frankfurt/Oder, Weimar oder Wuppertal.

Sigrid Wege eröffnet als Vorsitzende der Magdeburger Pirckheimer die Ausstellung im Literaturhaus.

Zur Eröffnung waren auch die beiden Herausgeber dieser Künstlerbuch-Reihe nach Magdeburg gekommen: Ulrich Tarlatt aus Bernburg und Jörg Kowalski aus Halle/Saale. Musikalisch umrahmt wurde die Eröffnung von Petra Steinbring mit Improvisationen am Klavier. Die Künstlerin Anette Groschopp aus Magdeburg hielt die Laudatio. Sie selbst war an der Buchkunst-Reihe beteiligt und konnte so den Gästen einen sehr persönlichen Eindruck vermitteln, wie es für sie war, mit dabei gewesen zu sein. Sie gehört damit zu den insgesamt 492 Literaten und Künstlern, die in den drei Jahrzehnten an der Entstehung der 30 Bände mitgewirkt haben. Dazu gehörten für die Texte zum Beispiel die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und 15 Georg-Büchner-Preisträger wie Volker Braun, Durs Grünbein, Sarah Kirsch, Sibylle Lewitscharoff, Friederike Mayröcker oder Oskar Pastior. Ebenso beeindruckend ist die Liste der beteiligten Künstler, darunter Max Uhlig, Claus Weidensdorfer, Klaus Süß, Moritz Götze oder Angela Hampel – und natürlich Ulrich Tarlatt.

Die Idee war, dass die Künstler und Literaten an einem Buch mitarbeiten, ohne ein Thema vorzugeben. Einzige Bedingung war, dass die Werke dafür neu geschaffen beziehungsweise noch nicht zuvor publiziert wurden. Der programmatische Titel sollte den Sinn für das Gemeinsame beschreiben. Der erste Band erschien im Dezember 1989, der letzte Band, der die Reihe abschließt, wurde 2018 herausgegeben. Die Bandbreite der enthaltenen Werke reichte von Gedichten und Texten über originale Druckgrafiken, Zeichnungen, Collagen, Digitaldrucke, Fotografien, visuelle Poesie und Skizzen bis hin zu Tagebuchnotizen und Fundstücken.

Mit 50 bis 75 Exemplaren, die je Jahrgang erschienen sind, ist die Auflage sehr niedrig. Entsprechend selten tauchen sie in Ausstellungen auf. Noch seltener hat man die Gelegenheit, sie alle vereint, sozusagen in einer Reihe, zu sehen. Im Literaturhaus gaben es die räumlichen Gegebenheiten zwar nicht her, eine Reihe zu bilden, aber auf zwei Vitrinen verteilt bekamen die Gäste einen ausgezeichneten Blick auf dieses Gesamtkunstwerk.

Eine repräsentative Auswahl der künstlerischen Text- und Bildarbeiten, die ansonsten in den Büchern eingebunden sind, konnten die Besucher an den Wänden des Literaturhauses bewundern. Diese Chance nutzten die Gäste an diesem Abend ausgiebig. Ebenso die Gelegenheit, mit den Herausgebern und Künstlern Ulrich Tarlatt und Jörg Kowalski ins Gespräch zu kommen.

Gleichzeitig war die Ausstellungseröffnung ein gelungener Auftakt in das 51. Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft, das vom 13. bis 15. September 2024 in Magdeburg stattfand. Dieser Austragungsot war extra auserkoren worden, da die Magdeburger Pirckheimer in diesen Tagen ihren 60. Geburtstag begingen.

Die beiden Herausgeber der Künstlerbuch-Reihe waren zur Eröffnung der Ausstellung nach Magdeburg gekommen: Jörg Kowalski (r.) und Ulrich Tarlatt mit seiner Frau.

Alexandre Dumas: Spannung, Vielfalt, Unbekanntes

So bunt und vielfältig wie sich die zwei Büchertische im Literaturhaus Magdeburg präsentierten, so bunt und vielfältig war das Bild, dass Robert Grieger von der Persönlichkeit zeichnete, die im Mittelpunkt seines Vortrages stand: der bekannte Schriftsteller Alexandre Dumas. Diese Einordnung in die „Schublade“ Schriftsteller, zu Beginn des Abends für die Gäste nahezu selbstverständlich, hatte am Ende keinen Bestand mehr. Viele mögliche Bezeichnungen für seine Person waren dazugekommen: Schöpfer literarischer Mythen, Lebemann, Geschäftsmann, Prototyp des freien marktorientierten Schriftstellers, Meister des Dialogs, Revolutionsteilnehmer etc.

Vereinsvorsitzende Sigrid Wege bedankt sich bei Robert Grieger mit einem kleinen Präsent.

Für diese Auffächerung der Charakterisierung Dumas` sorgte an diesem 7. Juni der Berliner Dumas-Sammlers Robert Grieger, den seit mehr als drei Jahrzehnten Alexandre Dumas nicht loslässt. Mehr als eine Stunde plauderte er vor knapp 20 literaturbegeisterten Zuhörern auf Einladung der Magdeburger Pirckheimer über den großen Franzosen. Er zog Parallelen zwischen dessen eigener Lebensgeschichte und der seinen Romanfiguren. Beispielsweise wenn darum geht, dass ein passendes Empfehlungsschreiben den Einstieg in die berufliche Karriere ebnet. So verschaffte Dumas 1822 die Vermittlung eines Kollegen seines Vaters, gepaart mit einer schönen Handschrift, eine Stelle als Sekretär im Büro des Duc d’Orléans. Daher ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass auch einer seiner bekanntesten Romanhelden, der spätere Musketier DÀrtagnan sich mit einem Empfehlungsschreiben auf den Weg nach Paris macht. Und das letztendlich erfolgreich, auch wenn ihm das Schreiben unterwegs gestohlen wird. Ebenso übte sich Dumas im Tanzen, Fechten und Schießen. Alles Fähigkeiten, die dem Leser seiner Romane durchaus vertraut vorkommen.

Eine chinesische Ausgabe des "Graf von Monte Cristo"
Eine chinesische Ausgabe des „Graf von Monte Cristo“

Dumas ist ein wichtiger Vertreter der französischen Romantik. Bekannt und beliebt wurde er durch seinen historischen Abenteuerroman „Die drei Musketiere“ (1844) und den Gesellschaftsroman „Der Graf von Monte Cristo“ (1845/46) – übrigens der einzige Gesellschaftsroman, den er je geschrieben hat. Diese berühmten Romane stehen wie die meisten seiner Romane in der Tradition von Walter Scotts historischen Romanen.

Zu Anfang seiner Schriftsteller-Karriere schrieb er jedoch hauptsächlich Dramen, von denen die meisten in Vergessenheit geraten sind. Dazu gehören die damals recht erfolgreichen Stücke Henri III et sa cour (1829), Christine (1830) und Antony (1831). Später begann er dann, Romane (insbesondere historische) zu schreiben und entdeckte schnell das Genre des Feulletion-Romans.

Robert Grieger hatte einige Exponate aus seiner Dumas-Sammlung mitgebracht

Dumas sei ein äußerst produktiver Autor gewesen, so Grieger. Er habe in Zusammenarbeit mit anderen Autoren wie Auguste Maquet über dreihundert Romane verfasst. Schreiben alleine reicht natürlich nicht. Die Bücher müssen auch verkauft werden. Das sei Dumas so gut gelungen, dass er zumindest zeitweise als wohlhabend gelten kann. Allerdings habe er das Geld auch mit vollen Händen wieder ausgegeben. So war ihm ein Leben als Schuldner nicht unbekannt. Grund genug für ihn, zeitweise ins Ausland zu fliehen. Das wiederum begründete, anfangs vielleicht notgedrungen, am Ende sehr erfolgreich und finanzielle einträglich, seine Hinwendung zur Reiseliteratur.

Bei einem so bewegten Leben und der schriftstellerischen Flexibilität von Dumas ist es kaum verwunderlich, dass er dieses in seinen vielbändigen Mémoires vermarktete.

Robert Grieger bei seinem Vortrag im Literaturhaus Magdeburg.

Auf Dauer habe er sich einen luxuriösen und ausschweifenden Lebensstil jedoch nicht mehr leisten können, so Grieger. Die letzten Jahre vor seinem Tod am 5. Dezember 1870 war er bankrott und lebte bei seinem Sohn.

Nach dem Vortrag gingen die Gäste mit anderem Blick an die Büchertische, auf denen Robert Grieger einige Schätze aus seiner Dumas-Sammlung ausgelegt hatte. Darunter neben den erwartbaren verschiedenen deutschen Buchausgaben auch ergänzende Sammlungsstücke wie eine Büste, Filmprogramme seiner Romanverfilmungen, Comics, eine chinesisch-sprachige Ausgabe des „Graf von Monte Cristo“ oder Sekundärliteratur.

Manches Exponat nahmen die Gäste ganz genau unter die Lupe.

Von Pränumerantenlisten, Leichenpredigten und der Illias

Das Druck- und Verlagshaus „Franzen und Grosse“  in Stendal – Vortrag von Agnes Kunze

Dass die Geschichte eines heute fast (!) vergessenen Verlages in der Altmark interessant und kurzweilig ist, dazu noch Anstoß für eine weitergehende Beschäftigung mit diesem Thema sein kann, zeigte Agnes Kunze am 17. April im Literaturhaus Magdeburg. Die Leiterin der Bibliothek des Winckelmann-Museums in Stendal war auf Einladung der Magdeburger Pirckheimer in die Landeshauptstadt gereist, um in ihrem Vortrag die Geschichte des Druck- und Verlagshauses „Franzen und Grosse“ lebendig werden zu lassen. Dieses hatte seinen Sitz in Stendal. Den Anfang markierte eine Hochzeit: 1755 heiratete Daniel Christian Franzen die Buchdrucker-Witwe Elisabeth am Ende und übernahm somit das Geschäft. 1776 erhielt Franzen das Buchhändlerprivileg – sein Geschäft erweiterte sich damit wesentlich über das Drucken hinaus. Allerdings trat er das Privileg nur vier Jahre später an Johann Christian Grosse ab. Druck und Handel blieben praktisch vereint, quasi in der Familie, da Johann Christian Grosse ein Jahr zuvor sein Schwiegersohn geworden war. Für Franzen war diese Verbindung offensichtlich aus unternehmerischer Sicht sehr vorteilhaft. Grosse habe den Verlag auf einen wirklichen Erfolgskurs gebracht, so die Einschätzung von Agnes Kunze. Der Produktionsumfang rangierte im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts direkt hinter den großen preußischen Verlagen in Berlin, Halle und Breslau. Für sie sei es „bewundernswert“, so Kunze, dass in einer so kleinen Stadt wie Stendal, die Anfang des 19. Jahrhunderts „4.444 bürgerliche Einwohner und eine Garnision von 786 Mann“ zählte, ein so erfolgreiches Verlagsunternehmen aufgebaut werden konnte. Die Geschichte des Druck- und Verlagshauses „Franzen und Grosse“ endete Anfang des 20. Jahrhunderts.

Sigrid Wege (r.) begrüßte die Gäste im Literaturhaus.

Fast eineinhalb Stunden sprach Agnes Kunze darüber, wie sich das Unternehmen entwickelt hat, welche Höhen und Tiefen es überstehen musste, wo es mit dem Zeitgeist schwamm und wo dagegen. Bestand das Hauptgeschäft anfänglich in den Drucken von Akzidenzdrucken, den Leichenpredigten, erweiterte sich das Profil vor allem auf Drucke zu medizinischen, wissenschaftlichen, pädagogischen und rechtlichen Themen. Im Unterschied zu vielen anderen Verlagshäusern hätten Franzen und Grosse aber nie Romane herausgebracht, obwohl sich diese einer wachsender Beliebtheit erfreuten und sie einen wachsenden Markt darstellten. Trotzdem nutzten Franzen und Grosse auch „Modeerscheinungen“ des damaligen Lesegeschmacks, wie die Herausgabe des Werkes „Betrachtungen über die drohendsten Gefahren der weiblichen Jugend für nachdenkende Töchter / von einer erfahrenen Mutter“ zeigt.

Mit einem Präsent bedankte sich Vereinsvorsitzende Sigrid Wege (l.) bei der Referentin Agnes Kunze.

Immer wieder stellte Agnes Kunze die Entwicklung des Unternehmens in einen überregionalen Kontext, zeigte auf, welche erfolgreichen Netzwerker Franzen und Grosse waren, wie sie effektiv Werbe- und Marketingmaßnahmen nutzten und sich beispielsweise durch die Teilnahme an der Leipziger Messe neue Vetriebswege erschlossen. Dank vielfältiger geschäftlicher und privater Verbindungen tauchten einige namhafte Persönlichkeiten im Netzwerk von Franzen und Grosse auf wie Georg Christoph Lichtenberg, Johann Christian Dieterich (Begründer der Dieterichschen Verlagsbuchhandlung, die heute ihren Sitz in Mainz hat), der für die Altmark zuständige Generalsuperintendent Johann Friedrich Hähn oder Samuel Gottlieb Vogel, britischer Hofmedicus und ordentlicher Professor an der Universität Rostock, der als Autor für Franzen und Grosse unter anderem 1794 das Buch „Über den Nutzen und Gebrauch der Seebäder. Nebst der Ankündigung einer öffentlichen Seebadeanstalt, welche an der Ostsee in Mecklenburg angelegt wird“ verfasst hatte.

Gerade für den Bibliophilen von Interesse wies Agnes Kunze auf ausgewählte Werke hin, die bei Franzen und Grosse erschienen sind wie der Druck des „Codex Diplomaticus Brandenburgensis“ 1775 oder Homers „Ilias“ von Caspar Christoph Konrad Brohm, die 1786 erschienen war, ausgestattet mit Initialen, Zierleisten und Vignetten.  

So lernten die Gäste des Abends viel Neues aus rund 150 Jahren Druck- und Verlagsgeschichte nicht nur der Altmark kennen. So wissen sie jetzt beispielsweise, was Pränumerantenlisten sind und welche wichtige Rolle sie für den wirtschaftlichen Erfolg von Franzen und Grosse gespielt haben – unter anderem nachzuvollziehen am Beispiel des Verkaufs des „Diätischen und ökonomischen Kochbuchs“, publiziert von Johann Jacob Heinrich Bücking.

Wer das noch nicht wusste, aber wissen will, was es mit den Pränumerantenlisten  auf sich hat, sollte einen Blick in den Katalog „Buch-Geschichten. 500 Jahre Drucker, Verleger und Bibliotheken in Stendal“ werfen, in dem auch die Druck- und Verlagsanstalt „Franzen und Grosse“ eine Rolle spielt. Der Katalog erschien 2007 anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Winckelmann-Museum Stendal.

Der Buchkatalog des Winckelmann-Museums weckte bei den Zuhörern großes Interesse. © Ralf Wege

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Agnes Kunze, Eva Hofstetter, Jürgen Dummer u.a.:
Buch-Geschichten. 500 Jahre Drucker, Verleger und Bibliotheken in Stendal.
Hrsg. im Auftrag der Winckelmann-Gesellschaft von Max Kunze Stendal

Verlag Franz Philipp Rutzen
Ruhpolding und Mainz 2007.
148 Seiten, 59 Abbildungen.
ISBN 3-938646-28-1

www.winckelmann-gesellschaft.com

Bücher dank Ebbe und Flut

Die Künstlerbücher von Tanja Leonhardt

Sichtlich beeindruckt verließen die 15 Buchliebhaber am 21. Februar gegen 21 Uhr das Literaturhaus Magdeburg. Gesorgt hatte dafür die Künstlerin Tanja Leonhardt. Sie war mit dem Auto nach Magdeburg angereist, den Kofferraum gefüllt mit einer erlesenen Auswahl ihrer Künstlerbücher, die sie zur Begrüßung der Gäste im Literaturhaus bereitgelegt hatte. Dieser Anblick verhieß den meisten der eintretenden Gäste überraschende Erfahrungen sowohl was die Formate, als auch die Materialien und Inhalte anging.

Bis die Kunstwerke in die Hand genommen wurden, gab Tanja Leonhardt einen kurzen aber vielseitigen Einblick in ihr Schaffen. Unter anderem konnten die Gäste anhand eines Videos nachvollziehen, wie das Buch „Orkney-Leinen“ entstand. Hier die nüchternen buchtechnischen Daten: Eines von drei Büchern mit Einband aus Orkney-Leinen, Hardcover, Breite: 300 mm, Höhe: 400 mm,Decke: Rohleinen …, 16 Seiten Silberburg Tiefdruckbütten (240 g) mit Büttenrand, Papier naturgefärbt, Handschrift.

Tanja Leonhardt mit einem der drei Exemplare des Buches aus Orkney-Leinen. Foto: R. Wege

Den Eindruck, den das Werk bei den Gästen hinterlassen hat lässt sich daran erahnen, dass es das Werk war, das am häufigsten in die Hand genommen wurde, und, am Ende in Magdeburg ein neues Zuhause gefunden hat.

Nicht zuletzt war es seine Entstehungsgeschichte, die das Buch so interessant macht. Hier einige Zeilen von Tanja Leonhardt dazu: „Im Jahr 2016 schenkten mir meine Freunde auf der Orkneyinsel Shapinsay ein Stück festes Leinen, das zu einer Erntemaschine des 19./20. Jahrhunderts gehörte. Ich entfernte die Holzleisten und Nägel, wickelte am Strand gefundene Eisenteile hinein und befestigte das Bündel unter dem Steg der Insel. Dort war es ein Jahr lang den Gezeiten ausgesetzt, bei Ebbe sichtbar, bei Flut unter Wasser. Im darauf folgenden Jahr kehrte ich zurück und wickelte das Bündel aus. Das Leinen war brüchig und stark von Bakterien zerfressen. Vorsichtig säuberte und trocknete ich es – und vergaß es im Schrank, bis ich in 2020 die Ökodruck-Serie herstellt. Das brüchige Leinen wurde auf den kaschierten Karton aufgeleimt und dadurch wieder haltbar gemacht. Dabei sind die Spuren seiner Geschichte deutlich vernehmbar. Im handgeschriebenen lyrischen Text geht es um diese Geschichte.“ Hier ein Beispiel: „… Ich höre das Meer rauschen. Ich sehe Ebbe und Flut steigen und fallen, steigen und fallen, sehe das Bündel um den Stegpfosten gewickelt. Alle zwölf Stunden sieht das Wasser nach ihm, tastet in seine Falten, sickert durch jede Lage bis in die Geschichten, die der goldene Staub erzählt, und zieht sich wieder zurück, seufzend und glucksend, brüllend und peitschend …“

Zwei weitere Beispiele sollen an dieser Stelle wenigstens noch einen kleinen Blick in die Vielfalt der Arbeiten von Tanja Leonhardt ermöglichen. Da ist das Buch „zusammen“, das Tanja Leonhardt (Konzeption, Schrift, Text, Bindung) gemeinsam mit Martin Dürk (Zeichnungen, Mischtechniken) geschaffen hat. Es besticht (nicht nur) mit einer ausgeklügelten Art der Faltung, die allein durch die Abfolge des Aufschlagens der Text- und Bildseiten durch die Geschichte führt – sehr zur Erbauung der Gäste des Abends.

Ein Blick in das Buch „zusammen“ Foto: R. Wege

 Dass man Bücher durch Kochen erschafft, war für die meisten Buchfreunde an diesem Abend eine neue Erkenntnis. Tanja Leonhardt nennt sie „Schmutzige“ Kesselbücher oder Ökoprints aus dem Kupferkessel. Sie zeichnen sich, nicht zuletzt durch das Agieren des Zufalls bei der Entstehung, durch eine eigene „Wildheit“ und Kraft aus, wie es Tanja Leonhardt nennt.

Buchliebhaber im Gespräch mit der Künstlerin. Foto: R. Wege

Ein Meister des Holzschnitts in Magdeburg

Vernissage „Klaus Süß – Druckstock, Abdruck, Künstlerbücher“ im Literaturhaus

Wer knapp vor Beginn der Vernissage noch ins Literaturhaus gehuscht kam, der trat in einen bereits bis auf den letzten Stuhl besetzten Raum. Das war aber kein Grund, wieder zu gehen. Dafür waren bei allen die Neugierde zu stark und die Erwartungen an das zu Entdeckende zu hoch. Rund 50 Objekte von Klaus Süß hatten die Magdeburger Pirckheimer gemeinsam mit dem Künstler für die Ausstellung in Magdeburg ausgewählt. Darunter eine Auswahl farbig gestalteter Druckstöcke mit dazugehörigen Drucken sowie Vorzeichnungen, einzelne bemalte Druckstöcke, einzelne Druckblätter sowie komplette Grafikmappen. Dazu sind in Vitrinen Künstlerbücher aus dem umfangreichen Werk von Klaus Süß ausgestellt. Extra zur Ausstellung in Magdeburg hat Klaus Süß die Vorzugsgrafik “Frau“ in 13 Exemplaren aufgelegt und den dazugehörigen Druckstock ins Literaturhaus mitgebracht.

Vereinsvorsitzende Sigrid Wege begrüßt die Gäste. | © R. Wege

Nach der Begrüßung durch Vereinsvorsitzende Sigrid Wege und den musikalischen Auftakt am Saxophon durch Frank Schöpke führte der Schriftsteller, Buchgestalter und Ausstellungsmacher Dr. Jens-Fietje Dwars aus Jena die Gäste in die Ausstellung ein. Dwars ließ den Werdegang des Chemnitzer Künstlers Revue passieren, beginnend mit Linolschnitten, über die Unikatbücher, Grafikmappen und Pressendrucke sowie gestalteten Druckstöcke bis zu dem Feld, „auf dem er zum Meister gereift“ ist, dem Holzschnitt. Dwars: „Von Anbeginn ringt Süß um die zeichenhafte Erweiterung und Vertiefung des Erfahrenen, nie um Tagespolitik. Im Spiegel neuer und alter Mythen sucht er nach Bildern für den Kampf der Geschlechter, für den Hass, in den unerfüllte Liebe umzuschlagen vermag, die Gewalt, die allem Begehren innewohnt, die Ohnmacht der Macht, das Abgründige in uns. Auch in den Bildern, die Sie in dieser Ausstellung sehen.“

Eine Besucherin blättert in dem Buch „Carmen“, über das Dr. Jens-Fietje Dwars auch in seiner Laudatio sprach. Im unteren Bild sind einige der Carmen-Grafiken zu sehen, die Klaus Süß im Handabzug gedruckt hat. | © R. Wege

Klaus Süß wurde 1951 im erzgebirgischen Crottendorf geboren. Er lebt seit langem in Chemnitz. Seit 1986 arbeitet er als freischaffender Künstler. Zuvor war er einige Jahre an der bekannten Produzentengalerie „Clara Mosch“ in Chemnitz tätig. Er beschäftigt sich zunächst vor allem mit dem Linolschnitt und ab 1992 verstärkt mit dem Holzschnitt. Klaus Süß arbeitet beim Holzschnitt in der Technik der „verlorenen Form“, wodurch keine späteren Nachdrucke mehr möglich sind.

Typisch für viele seiner Arbeiten sind kraftvolle Farben mit expressionistischen Menschenfiguren (angeregt von Brücke-Mitgliedern wie Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Ludwig Kirchner).

Die bemalten Druckstöcke werden zu Kunstobjekten, die Klaus Süß auch in die Gestaltung von Künstlerbüchern einbezieht oder Grafikmappen beilegt. Sie sind sowohl als alleinstehende Kunstobjekte, in Rahmen gefasst oder als freistehende Skulpturen, bei Sammlern sehr begehrt.  

Viele Gäste nutzten die Chance, mit dem Künstler ins Gespräch zu kommen. | © R. Wege

Ein weiteres Tätigkeitsfeld von Klaus Süß sind Künstlerbücher. In der Regel in kleinen, oft einstelligen Auflagen oder als Unikatbücher hergestellt. In der Ausstellung gezeigt werden unter anderem die Werke „Kholumodumo“ (Märchen aus dem südöstlichen Afrika, 17 Holzschnitte, 45×35 Zentimeter), „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ oder „UKIYO-E“ (nach einem japanischen Text des 18. Jahrhunderts, in 26 Original-Bild- und Schriftholzschnitten). Zu sehen ist ebenfalls sein wohl erfolgreichstes Buch, „Blaubart“, das Klaus Süß 2009 für den Leipziger Bibliophilen-Abend geschaffen hat und das von der Stiftung Buchkunst im Wettbewerb „Die schönsten deutschen Bücher“ ausgezeichnet wurde. Dieses Kleinod wird zusammen mit der Blaubart-Grafikmappe gezeigt, die acht Farbholzschnitte im Mappenformat von 54 x 43,5 Zentimeter umfasst, erschienen in fünf Exemplaren.

Alle gezeigten Grafikblätter sind von Klaus Süß von Hand gedruckt. Auch wenn kräftige Farben in vielen seiner Werke dominieren, wirken seine Schwarz-Weiß-Arbeiten ebenso beeindruckend, wie zum Beispiel die Weißlinienschnitte in seinem 46 x 41 Zentimeter großen Künstlerbuch „Die Leichtigkeit der Etrusker“, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist. 

Die Vielfalt des künstlerischen Schaffens erstreckt sich bei Klaus Süß auch auf die Gestaltung von Keramik und anderen Objekten. In der Ausstellung ist stellvertretend eine Bronzearbeit zu sehen, die dem Künstlerbuch „Chief Seattle“ beigegeben ist. Der Text entstammt der Rede, die Chief Seattle 1855 an den Präsidenten der Vereinigten Staaten richtete. Es besticht durch eine einzigartige Verschränkung von Bild und Text. Jedem Holzschnitt geht eine Textseite voraus, die einen visuellen Bezug zum darunter (teilweise) sichtbaren Holzschnitt herstellt: Entweder ist der Text typografisch geformt wie eines der Bildelemente und auf transparentem Papier gedruckt, teils sind Ausstanzungen im Papier, die schon bestimmte Teile des darunter liegenden Holzschnitts sichtbar machen.

Frank Schöpke begleitete die Vernissage musikalisch. | © R. Wege

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Februar 2024 im Literaturhaus Magdeburg zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr, sowie nach Voranmeldung und zu den Veranstaltungen.

„Plakate aus der DDR“ sorgten für gute Laune

Sehr zufrieden wirkten die Zuhörer des Vortrages „Plakate aus der DDR“, als sie am Nachmittag des 8. Juli das Literaturhaus Magdeburg verließen. Zwei Stunden zuvor hatten sie voller Erwartungen das Gebäude betreten. Die gute Laune lag zum einen am Thema „Plakate aus der DDR. Das war für die meist älteren Semester eine kleine Reise in die eigene Vergangenheit, insbesondere die Vergangenheit als Sammler von Buch und Grafik sowie Plakaten. Zum anderen war der abwechslungsreiche und mit Leidenschaft für die Sache gehaltene Vortrag von Dr. Sylke Wunderlich für die gute Laune verantwortlich. Als Gründerin und Treuhänderin der Stiftung Plakat OST plauderte die promovierte Kunstwissenschaftlerin aus ihrem Schatz reichhaltiger Erfahrung mit dem Sammeln, Bewahren, Pflegen, Publizieren und Präsentieren ostdeutscher Plakatkunst nach 1945. 

Die Welt der Plakate ist nicht nur bunt, sondern auch sehr vielfältig. Sie reicht vom Werbeplakat über Plakate mit politischen Botschaften bis zum Theaterplakat. Für die meist bibliophil interessierten Gäste des Nachmittags waren natürlich Künstlerplakate von besonderem Interesse, was sich in dem Vortrag von Sylke Wunderlich niederschlug. Es tauchten dabei auch Künstler auf, die man eher nicht mit dem Plakat verbunden hätte, wie beispielseise Arno Mohr, der vor allem für seine Kaltnadelradierungen bekannt ist. Sylke Wunderlich hatte ein von ihm geschaffenes Plakat zum 1. Mai 1946 mitgebracht. Als Beispiele für Plakate im Kulturleben dieser Zeit lernten die Zuhörer eine Arbeit von Georg Baus kennen, mit dem 1947 das Museum für Bildende Künste auf eine Schau des grafischen Schaffens seit 1945 unter dem Titel „buch-schrift-werbekunst“ aufmerksam machte. Ein anderes Beispiel stammte von Wilhelm Deffke. Sylke Wunderlich zeigte sein Plakat für die „Große Kunstausstellung Sachsen-Anhalt“, die vom 9. Mai bis 4. Juli 1948 im Stadtmuseum Moritzburg stattfand. Kleiner Nebeneffekt: Damit war indirekt auch ein Bezug zu Magdeburg hergestellt, denn am 16. Oktober 1925 hatte Wilhelm Deffke die Direktion der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg übernommen. In dieser Zeit war er auch für das künstlerische Erscheinungsbild der Deutschen Theaterausstellung 1927 im Magdeburger Rotehornpark verantwortlich, für die Karl Schulpig das Plakat entworfen hatte.

Neben den eher unerwarteten Plakatgestaltern begegneten den Gästen vielen bekannte Künstler. Stellvertretend seien hier genannt Manfred Bofinger, Helmut Brade, Feliks Büttner, Egbert Herfurth, Ronald Paris, Volker Pfüller, Horst Hussel, Rolf Felix Müller, Thomas Schleusing, Albrecht von Bodecker und natürlich Gert und Sonja Wunderlich. Übrigens: 2014 hatten die Magdeburger Pirckheimer eine Ausstellung mit Arbeiten von Gert Wunderlich unter dem Titel „ Typographie – ein Spiel?“ im Literaturhaus gezeigt, darunter auch Plakate. Daran konnten sich noch einige der Gäste gut erinnern, die damals bei der Vernissage dabei waren. Hatte Sylke Wunderlich ihren Vortrag mit dem Plakat von Arno Mohr aus dem Jahr 1946 begonnen, so schloss sie zum Ende ihrer Ausführungen den zeitlichen Bogen mit einer Arbeit von Matthias Gubig von 1989: „Wir sind das Volk“.

Einblicke in die eigene Plakatsammlung gewährte Wilfried Kiel nach dem Vortrag, was die Gäste und Sylke Wunderlich (l.) gerne annahmen.

Gesprächsabend über Künstler, Sammler, Künstlerbücher

»Die Kunst des Sammelns« war das beherrschende Thema des Abends, zu dem die Magdeburger Pirckheimer am 17. Mai 2023 in das Literaturhaus der Landeshauptstadt eingeladen hatten. Als Gesprächspartner begrüßte Vereinsvorsitzende Sigrid Wege den aus Berlin angereisten Künstler Hartmut Robert Andryczuk. Seine Ausführungen schöpften vor allem aus zwei Quellen. Zum einen hat sich Andryczuk zum Thema »Die Kunst des Sammelns« mit verschiedenen Sammlern unterhalten, diese Gespräche aufgezeichnet, später transkribiert und die so entstandenen Texte in einer Buchreihe in seinem Hybriden-Verlag veröffentlicht. Zum anderen sind das keine »normalen« Bände, die er herausgibt. Es sind selbst Künstlerbücher, in der Regel in einer Auflage von 30 Exemplaren und versehen beispielsweise mit Originalzeichnungen oder Handschriftlichem von Hartmut Robert Andryczuk. Und sie sind selbt zu Sammelobjekten geworden.

Der Einband des Leporello, davor Band 8 (l.) aus der Reihe „Die Kunst des Sammelns“ (Gespräch mit Michael Lailach) und „Crossbreeding.“ Künstlerbuch und Katalog mit Texten von Serge Stommels & Albert Lemmens

Begonnen hat Andryczuk die Reihe im Jahr 2015 mit einem Gespräch mit dem Sammler Gerhart Odenwald. Ihm folgten als Gesprächspartner in den nächsten Büchern  Wulf D. von Lucius, Peter Zitzmann, Helmut Mayer, die niederländischen Sammler Serge Stommels & Albert Lemmens. Danach kamen Jens Henkel aus dem thüringischen Rudolstadt und Hubert Kretschmer zu Wort. In seinem jüngsten Band, erschienen 2022, hat Andryczuk sein Gespräch mit Michael Lailach, Kurator und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatlichen Museen zu Berlin und Leiter der Sammlung Buchkunst in der Kunstbibliothek, veröffentlicht. 

Dass der Erfolg des Sammelns nicht nur von persönlichen Vorlieben und finanziellen Möglichkeiten, von Optionen für eine sachgerechte Unterbringung und optimalerweise fundierte Aufbereitung einer Sammlung abhängt, sondern auch von den aktuellen Zeitumständen, führte Andryczuk am Beispiel der Sammler Serge Stommels und Albert Lemmens vor Augen. Beide niederländischen Sammler  haben eine der umfangreichsten Sammlungen russischer Künstlerbücher. Beide seien oft Russland unterwegs gewesen, um den direkten Kontakt zu den Künstlern vor Ort zu pflegen und neue Stücke zu erwerben, um ihre Sammlung zu vervollständigen. Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine könne man davon ausgehen, so Andryczuk, dass die Sammeltätigkeit der beiden nahezu zum Erliegen gekommen ist.

 Andryczuk hatte nicht nur Beispiele seiner Künstlerbücher aus der Reihe »Die Kunst de Sammelns« mitgebracht. Mit »THINK TANK PANZERHAUBITZE KLING KLING« zeigte Andryczuk ein Werk, dass er im September vergangenen Jahres herausgebracht hat, und das seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine ist. Es besteht aus einem Leporello mit 17 Originalzeichnungen und einem Katalog mit 48 Seiten, Texten, Abbildungen. Ausgangspunkt für das Buch sei ein text gewesen, den er auf der Website des Kremels gefunden habe, in dem es um die »historische Einheit von Russen und Ukrainern« geht. Andryczuk: Großartig. Ein richtiger idenditärer Schwurbel-Text, den ich für diese Künstleredition sehr gut verwenden konnte. Dort wird die Nationalisten-Karte gezogen, die historische Einheit aller Russen beschworen. Russland ist seit Jahren in einem heiligen Krieg gegen „Gayropa“. Glaube, Vaterland, Familie, ewige Werte, Orthodoxie. Männer sind noch richtige Männer und Frauen noch wahre Frauen. Bringt mich das Selenskij oder den Nationalismus der Ukrainer näher? Nein, natürlich nicht. Aber ich unterstelle den Menschen in der Ukraine, dass sie dieses „russische“ System nicht mehr wollen. Und was mich angeht: Ich lebe lieber im satanischen Westen als in einem idenditären Mafia-Imperium.« 

Ausschnitt aus „THINK TANK PANZERHAUBITZE KLING KLING“ | © R. Wege

Wie weit sich der Bogen dieses Abend spannte wurde in der Diskussion mit dem Publikum deutlich, als die Frage nach dem Verbleib einer Sammlung auftauchte, wenn der Sammler seiner Leidenschaft nicht weiter frönen will oder kann. Soll sie geschlossen erhalten bleiben? Oder ist es besser, sie wieder in den Kreislauf zu bringen und damit jungen Sammlern die Möglichkeit zu geben, eine eigene Sammlung aufzubauen. Freuen sich die Kinder, die Sammlung zu erben, oder ist es für sie eher eine Last? Findet sich ein Museum, das die Sammlung übernimmt und dabei nicht nur im Archiv aufbewahrt, sondern sie auch der Öffentlichkeit zugänglich macht? Fragen über Fragen. Eine endgültige Antwort lieferte der Abend nicht, aber die Gewissheit, dass es auf diese Frage keine einheitliche, für manche auch gar keine Antwort gibt. Zumindest keine zufriedenstellende.

Zufrieden waren allerdings die Gäste des Abends, als sie nach gut zwei Stunden Hartmut Robert Andryczuk mit Beifall nach Berlin verabschiedeten, das Literaturhaus verließen, um sich vielleicht weiter der eigenen Sammelleidenschaft zu widmen. 

Vereinsvorsitzende Sigrid Wege und der Künstler Hartmut Robert Andryczuk | © R. Wege
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